Kriegshistorische Stätten – Schauplätze der Geschichten – Was die Feldpost über den Krieg erzählt
Kalle Päätalo ist einer der bekanntesten und produktivsten finnischen Schriftsteller. Er ist vor allem für seine Buchreihen „Iijoki“ und die seiner Heimatregion gewidmete „Koillismaa“ bekannt.
Er wurde am 11. November 1919 in Taivalkoski geboren und war das zweitälteste von acht Kindern der Familie. Nachdem er die Grundschule absolvierte, verdiente der junge Mann seinen Lebensunterhalt mit Holzfällerei und Holzflößerei. Auch das Lesen und Schreiben waren für Kalle ein angenehmer Zeitvertreib.
Er meldete sich freiwillig für den Winterkrieg im Dezember 1939.
Dies ist die Geschichte über den Lebensabschnitt von Kalle Päätalo zwischen dem Ende des Winterkriegs im Frühjahr 1940 und dem Beginn des Fortsetzungskriegs im Juni 1941. Diese Zeit ist auch unter dem Namen „Välirauha“ (Waffenstillstand) bekannt.
Ende des Sommers 1939 war Kalle am Bau der Grundschule in Inkeenkylä bei Taivalkoski beschäftigt. Zur gleichen Zeit machte sich die Kriegsgefahr bereits im Alltag bemerkbar. Zuerst wurden Zucker und Zuckerrübensirup rationiert – und bald war auch Kaffee nur über die Lebensmittelmarke zu beziehen. Generell wurde die Lebensmittelversorgung aufwändiger, aber der Winterkrieg konnte ohne zusätzliche Rationierung bewältigt werden.
Mit dem Beginn des Waffenstillstands im März 1940 änderte sich die Situation rasch: Im Mai wurde Brot rationiert und innerhalb weniger Monate folgte Fett. Im Oktober wurden Tee und Importfrüchte auf die Marke gesetzt. Nach der Versetzung des Pionierbataillons von Kalle gegen Jahresende nach Kestilä in Ii wurden Milch, Fleisch und Fleischwaren rationiert – und noch vor Jahreswende fügte das Ministerium für zivile Versorgung auch das Rentierfleisch dieser Liste hinzu. Die Zivilbevölkerung war von der Rationierung stärker betroffen. Die Änderungen hatten keine großen Auswirkungen auf die rationierten Portionen der Wehrpflichtigen. „Auch in Kestilä blieben die Portionen gleich, sogar Kaffee haben wir gelegentlich bekommen”, schreibt Kalle.
Nach dem Sommer 1940 wurde er wieder von der Armee einberufen, wie auch viele seiner Freunde. Einige von ihnen verfluchten in ihren Briefen an Kalle die zweijährige Verlängerung der Dienstzeit. Er selbst war zufrieden mit seiner Lebenslage in dem Pionierbataillon, das über den Winter an der Westgrenze stationiert war. Dort hatte er seine abendlichen Ausgänge und Frauen gab es auch. Außerdem funktionierte die Lebensmittelversorgung besser als an der Ostgrenze. Auch wenn der Jahreswechsel ohne nennenswerte Ereignisse blieb, erfreute sich das Bataillon zu Weihnachten über Mangelwaren wie Marmelade und Trockenobst zum Kaffee und Zwieback, meinte Kalle.
Um die Monatswende Januar/Februar kursierten Gerüchte über einen Plan, dass die Pioniere mit Heimatort in einem Infanterie-Schutzkorpsgebiet zu Infanterieeinheiten versetzt werden. Kalle war sich nicht sicher, ob Taivalkoski betroffen war, er hatte aber ein ungutes Gefühl. Der Schreiber und Korporal Karlsson bestätigte dies, beruhigte aber Kalle, dass es noch nicht feststeht. Bald erteilte der Schreiber und Unteroffizier der Kompanie jedoch einen Versetzungsbefehl. Kalle verabschiedet sich noch bis spät abends von seinen Freunden in der Kompanie. Gleichzeitig schlägt er dem Kompaniechef vor, Antti Papusniemi zu seinem Nachfolger zu ernennen und verrät diesem, dass er irrtümlich im Herbst für sein Lager einen Tagesvorrat des Bataillons an Butter, Käse, Wurst, Zucker, Kaffee, Kaffee-Ersatz usw. bekommen hatte. Diese Lebensmittel hatte Kalle dann seinen Freunden verteilt – er vermeidet es zu erwähnen, dass er seiner Freundin Enni Butterbrotzubehör gegeben hat.
Die Abfahrt aus Ii steht bevor. Der zwanzigköpfige Kommandotrupp reist zunächst mit dem Zug nach Hyrynsalmi, ohne seinen endgültigen Einsatzort zu wissen. In Kontiomäki wechselt der Trupp den Zug und fährt in einem Güterzug weiter, von dessen Hauptbahnhof das Kirchdorf Hyrynsalmi noch ca. fünf Kilometer entfernt ist. Die Reisenden werden von Autofahrern mitgenommen. Vor Ort im Hauptquartier der Brigade wird auch der Einsatzort klar: „Der Trupp wurde geteilt. Der größere Trupp wird in der Artilleriekompanie des Schulungszentrums in Kurkijärvi bei Kuusamo stationiert. Der Älteste dieses Trupps ist der Korporal Päätalo. Der kleinere Trupp wird in Suomussalmi eingesetzt“, sagte der Adjutant des Kommandanten.
Am nächsten Morgen machten wir uns mit dem Auto auf den Weg zur Volkshochschule Kuusamo und von dort aus würde die Fahrt mit Pferden zur neuen Einheit in Kurkijärvi weitergehen, weniger als eine Meile nordwestlich vom Dorf. Der eisige Wind auf der offenen Ladefläche beginnt zu beißen, aber wenn die Männer den Holzgaswagen gelegentlich bergauf schieben, wärmt dies Gemüt und die Männer.
„…Der Geruch von verbranntem Birkenholz aus dem ´Holzvergaser´ dringt in meine Nasenlöcher…”
Kalle Päätalo über die Autofahrt von Hyrynsalmi nach Kuusamo in seinem Buch „Ukkosen ääni“ (Gummerus, 1979)
In Haukiperä bei Suomussalmi wird angehalten und die hier eingesetzten Männer steigen aus. Die Fahrt geht bis spät abends hinein. Kalle ist erfreut zu erfahren, dass sie über seine Heimat Taivalkoski nach Kuusamo fahren. Nach der Fahrt bis zur Vier-Wege-Kreuzung biegt das Auto in den Hof des Lebensmittelladens Otso und die Männer können sich im Stubencafé nebenan aufwärmen. Als er von der Ladefläche herunterspringt, sieht er Uuno Nevanperä und andere bekannte Gesichter aus dem Dorf. Es bleibt nicht viel Zeit für den Nachrichtenaustausch, weil die Fahrt wieder weitergeht. Um drei Uhr in der Früh kommen sie im Kirchdorf Kuusamo an und verbringen die restliche Nacht in einem kalten Unterrichtsraum der Volkshochschule. Nach der Fahrt in den Pferdeschlitten der Artilleriekompanie wird der Einsatzort in der Kaserne Korpijärvi endlich erreicht und die Schulung der Pioniere zu Artilleristen beginnt.
Der Alltag als Korporal in Kurkijärvi mit abendlichem Ausgang pendelt sich ein. Auch das kommende Mittsommerfest ist bereits ein Gesprächsthema. „Bis zum Mittsommer waren es nur noch gute drei Monate! Dann würden sich hier viele junge Leute aus Kuusamo und Nachbarorten treffen. Trotz der Zeit der Not würden vielleicht Besucher aus Südfinnland nach Kuusamo kommen, vor allem um die Mitternachtssonne auf dem Rukatunturi zu erleben. Dieser Mittsommer wird auch für uns Jungen in der Dezember-Altersgruppe ein Fest sein, da dann in unserem „Zivilkamm“ nur noch drei lange Zähne übrig wären!”, schreibt Päätalo in seinem Buch ’Ukkosen ääni’.
Ihre Wünsche werden jedoch nicht in Füllung gehen. Vor dem Sommer wird die Kompanie zum Bau von Festungsanlagen in Säynäjävaara abkommandiert – und nachdem für die Offiziere in Maijanlampi bei Taivalkoski Schulungstage stattfinden, stellt der Schreiber zu Kalle fest, dass „wieder Unruhe in der Luft liege“. Im weiteren Verlauf des Frühjahrs wurde eine Abfahrt zu großen Kampfübungen in den Dienstplan eingetragen. Kalles Stimmungslage wurde dadurch nicht besser, denn diese Vorgehensweise war ihm bereits bekannt. Man wollte die Wehrpflichtigen aus den Kasernenverhältnissen herausholen und sie mit den Ausnahmebedingungen in einem Kriegsfall vertraut machen. Nach Rückkehr aus den Kampfübungen begrüßt der Kommandeur der Kaserne Oberstleutnant Heimonmaa die Männer auf dem Eis des Kurkijärvi-Sees und stellt fest: „…der Herbst -39 und der Winter -40 zeigen uns, wie schnell sich die Weltlage ändern kann…lasst uns hoffen und daran glauben, dass sich das kleine Finnland aus den Interessenkonflikten der großen Staaten heraushalten kann”.
Der Frost hielt im Frühjahr außergewöhnlich lange und Kalle wird der Zuständige für den Verpflegungsdienst der Kompanie. Am 29. April wird er zum Unteroffizier befördert. Im Mai macht Kalle Urlaub in seiner Heimat in Taivalkoski. Vor Ort angekommen, macht er sich auf den Weg in die Hütte seines Cousins väterlicherseits Tuomas Päätalo. Bei der abendlichen Unterhaltung mit Tuomas und seiner Frau Hilda kommen sie auf die unruhige Weltlage zu sprechen, über welche der Hausherr besorgt zu sein scheint. Während seines Urlaubs besucht Kalle seine Eltern in Kallioniemi und anschließend mit Ski seine Bekannten im Ort.
Der Soldatenalltag wartet jedoch in Kurkijärvi auf ihn. Der Kompaniechef Leutnant Astoo überrascht Kalle mit seiner Frage, ob er hier nach dem Armeedienst als Junior-Offizier tätig sein möchte. Kalle zögert, verspricht aber darüber nachzudenken, denn es würde auch mehr Gehalt bedeuten. Schließlich steht seine Entscheidung fest und er teilt mit, dass ein Berufssoldat zu sein nichts für ihn ist.
Am Dienstag, dem 10. Juni 1941 spannt Kalle ein Pferd mit dem Panzerjäger Niskala vor den Verpflegungskarren und macht sich auf den Weg ins Kirchdorf Kuusamo. Es war Sommer geworden. Der Kuusamojärvi glitzert eisfrei und die Birken schimmern grün. „In zwei Wochen wäre der Tag am längsten und die Traubenkirschen würden blühen…aber ich würde schon vorher entlang der Kitkantie-Straße in Zivil laufen“, schreibt Kalle. Bei Rückkehr in die Kaserne ändert sich die Stimmung; in Finnland wurden die Männer wieder zu einem zusätzlichen Manöver befohlen. Kalle wollte an das Geschehene nicht glauben. Mobilisierung!
Der Befehl lautet, macht eure Sachen fertig. Dann beginne man mit der Beladung des Fuhrparks und des mitzuliefernden Materials. Die Zivilsachen werden eingepackt und Kalle schreibt seine Heimatadresse darauf: Kalle Päätalo, Taivalkoski, Jokijärvi, Kallioniemi. Nachdem Kalle sein Paket zwecks Transport nach Hause im Lager ließ, musste er noch in der Küche alles für den Fall einer plötzlichen Abreise fertigbringen.
In der Kaserne bereitet man sich bereits auf die Abfahrt vor. Kalle fährt mit dem Korporal Kuorttila noch ins Kirchdorf Kuusamo, um Verpflegung zu holen. Diejenigen, die in Urlaub waren, mussten in die Kaserne zurückkehren. Gleichzeitig beginnen Gerüchte zu kursieren, dass sowjetische Truppen hier und da die Grenze überschritten hätten. Man erfuhr ebenfalls, dass deutsche Soldaten von Norwegen nach Finnland versetzt wurden. Fünf Tage nach der Versetzung in Alarmbereitschaft der Kaserne wird befohlen, Kurkijärvi zu verlassen. Die erste Etappe ist Helilammi nördlich des Kirchdorfs Kuusamo. Dort bekommt man es bestätigt, dass deutsche Kolonnen im Gebiet unterwegs sind. Kalle sieht sie bald zum ersten Mal auf der Straße Kitkantie.
Die Sommertage in Helilammi verliefen gemächlich und abendliche Ausgänge wurden ebenfalls gewährt. Am 24. Juni kommt die Nachricht, dass Deutschland in die Sowjetunion einmarschiert ist. Für Kalle wird jetzt klar, dass die Reservisten dieses Jahr nicht zur Heuernte nach Hause können…
Die Ereignisse überstürzten sich und die Kompanie erhielt den Befehl, nach Lämsänkylä bei Kortesalmi, in ost-südöstlicher Richtung von Kuusamo zur neuen Grenze zu marschieren. Spät abends am letzten Junitag kam der Marschbefehl in Richtung Penninkiluoma. Jedem war klar, dass die Richtung der Truppen eine Grenzüberquerung bedeuten würde. Die Vorhut hatte die Grenze bereits überschritten, als Kalles Kompanie dort eintraf. Große Truppen setzen ihren Marsch nach Kiimasvaara und Kiestinki fort. Die Zeit des Waffenstillstands war vorbei. Es begann der Fortsetzungskrieg.
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Kalle Päätalo wurde im Fortsetzungskrieg 1941 bei Kiestinki verwundet. Danach war er im Gefangenenlager Siiranmäki als Verpflegungsunteroffizier tätig. Nach dem Krieg folgten ein Umzug nach Tampere und zwei Ehen. In jener Zeit arbeitete Kalle als Zimmermann und absolvierte eine Baumeisterausbildung. Diesen Beruf übte er in seiner Heimatgemeinde Taivalkoski aus. Sein erstes Buch wurde im Jahr 1956 veröffentlicht und der Titel eines Professors wurde ihm 1978 verliehen. Kalle Päätalo starb am 20. November 2000 in Tampere.
Die Heimat Taivalkoski hatte für Kalle Päätalo stets einen besonderen Stellenwert. Eine Ausstellung über seinen Lebensweg befindet sich im Päätalo-Zentrum in Taivalkoski, dort finden Sie auch ein authentisch gestaltetes Arbeitszimmer des Schriftstellers.
Der Text stützt sich auf verschiedene Studien und Artikel über das Leben von Kalle Päätalo. Zitate aus dem Buch „Ukkosen ääni”, Kalle Päätalo (Gummerus, 1979).
Die Website „Geschichten aus den Kriegsjahren“ ist ein Teil des Projektes „Ordinary Man in a Great War“, finanziert von der Europäischen Union.
Weitere Informationen über die militärgeschichtlichen Stätten und Dienstleistungen für Reisende in der Region erhalten Sie bei der örtlichen Touristeninformation (siehe Links).