Kriegshistorische Stätten – Schauplätze der Geschichten – Was die Feldpost über den Krieg erzählt
Ich erinnere mich aus meiner Kindheit an ein Bild von einem jungen Mann an der Wand des Bauernhofs. Auf dem Bild stand „Gefallen in Salla am 31.7.1941”. Unterhalb dem Bild gab es eine eingerahmte Beileidsbekundung wegen meines gefallenen Großvaters Aarne Henrik Kulju, unterzeichnet von Mannerheim im Namen des Vaterlandes. Auf dem Grabstein im Heldenfriedhof in Alatornio steht „Heikki“ als Vorname. Mit diesem Namen war er innerhalb der Familie und bei Angehörigen bekannt.
Dies ist die Geschichte von Heikki Kulju, so wie ich sie von seinen Bekannten erfuhr und in seinen Briefen an die Ehefrau Valva von der Front 1939-41 sowie aus seinen Kriegstagebüchern las.
Heikki wurde am 2. Februar 1915 in der Bauernfamilie von Artturi und Eevi Kulju in Alatornio geboren. Er hatte drei Brüder und drei Schwestern. Über seine frühen Jahre ist wenig bekannt. Heikki, der in seiner Familie auch mal als ungeduldig galt, wurde jedoch im Allgemeinen als netter Mann charakterisiert. Sport war ihm wichtig, besonders der Ausdauersport. Durch dieses Hobby wurde er bereits als ein junger Mann in die Tätigkeit des freiwilligen Schutzkorps Alatornio involviert, bei welchem im Winter Langlauf und im Sommer Laufen ausgeübt wurden. Als ein guter Langläufer fuhr Heikki in den 1930er Jahren zwei Mal in der die Langlauf-Staffel Lapplands gewinnenden Schutzkorps-Mannschaft mit.
Der älteste Sohn der Familie von Heikki wurde am 22. August 1939 geboren. Nur ein Tag später begannen sich die Ereignisse in der Welt zu überstürzen – Deutschland und die Sowjetunion verabschiedeten einen Nichtangriffspakt. In dem geheimen Zusatzprotokoll des Paktes wurde Europa in Interessensphären eingeteilt. Finnland wurde der Sowjetunion überlassen. Deutschland griff am ersten Septembertag Polen an und die Sowjetunion intensivierte ihre territorialen Ansprüche auf die baltischen Staaten und Finnland. Finnland beugte sich nicht den Forderungen, sondern begann mit der Mobilisierung und der Vorbereitung auf einen Verteidigungskrieg. Die erste Phase der Mobilisierung waren die zusätzlichen, überall in Finnland stattfindenden Manöver. Heikki wurde nach Kemi geladen. Zum Gruppenleiter der dort gegründeten 27. Maschinengewehrkompanie des Infanterieregiments wurde Unteroffizier Heikki Kulju ernannt.
Nach dem Scheitern der Territorialverhandlungen griff die Sowjetunion Finnland am letzten Novembertag 1939 an. Die Artillerie der Roten Armee eröffnete das Feuer an der Karelischen Landenge um 6:50 Uhr und später am Morgen wurde Helsinki aus der Luft angegriffen. Der Winterkrieg war ausgebrochen. Die Angriffe der Sowjetunion erfolgten an breiter Front auch nördlicher bei Lieksa, Kuhmo, Suomussalmi, Salla und Petsamo. Ein strategisches Ziel war, über Suomussalmi der kürzesten Landroute entlang bis zum Bottnischen Meerbusen vorzurücken. Dies hätte die Landverbindungen nach Westen abgeschnitten. Die finnische Verteidigung wurde besonders an der Karelischen Landenge und in Ladoga-Karelien verstärkt. Und so kam es, dass die Finnen durch die Invasion in Nordfinnland völlig überrascht wurden.
Zu Kriegsbeginn war die Gruppierung von finnischen Soldaten im Norden sehr spärlich – für die Verteidigung der 800-km-Grenzlinie vom Süden Lieksas bis zum Eismeer waren Truppen in der Stärke von 16 000 Männern zuständig. Es wurde bald klar, dass der Einsatz der Roten Armee im Norden stärker als angenommen war. Daraufhin wurden zusätzliche Kräfte in die Kämpfe entsandt. Die Männer des Infanterieregiments 27, mit dabei auch Heikki Kulju, zogen in den Krieg, von Kemi zuerst über Oulu und Kontiomäki nach Hyrynsalmi. Von dort aus wurde die Fahrt mit Autos und Langlaufskiern fortgesetzt. Die Maschinengewehrkompanie kam im Kampfgebiet Haukiperä in Suomussalmi am 10. Dezember an.
Die Maschinengewehre wurden von den Ladeflächen direkt an die Frontlinie gebracht, da die feindlichen Truppen am Vortag kurzzeitig eine Brückenkopfstellung am Südufer von Haukiperä errungen hatten. An diesem Platz befindet sich heute ein Denkmal mit dem Text: „Hier war der Vormarsch des Feindes im Winterkrieg am 09.12.1939 zu Ende”. In derselben Landschaft begann Heikkis Winterkrieg.
Die unerbittliche Realität des Kriegs wurde einem schnell klar. Die Angriffe der Roten Armee waren vor allem für den Angreifer selbst verheerend. Auf dem Eis von Haukiperä blieben haufenweise Leichen mit Schiffchenmützen zurück. Äußerlich hatte es eher den Eindruck von einer Lumpenarmee. In der Schlacht von Haukiperä bekam auch Heikki seine Feuertaufe.
Heikki konnte am 13. Dezember zum ersten Mal nach Hause schreiben. Aus dem kurzen Brief geht neben dem Heimweh auch die Sorge um das Wohlergehen seiner Frau und des Kleinkinds hervor, aber auch Optimismus in Hinblick auf die bevorstehenden Herausforderungen. Aus den von der Frontlinie verschickten Briefen ergibt sich auch, dass der Feind weitgehend mit Hilfe von Alkohol kämpfte.
„Ein paar Feuertaufen habe ich hinter mir und diese gut überstanden”
– Heikki Kulju in seinem Brief aus Suomussalmi am 13.12.1939
Nach zehn Tagen Frontaufenthalt schrieb Heikki zum zweiten Mal nach Hause. Sein Wunsch war, Zucker und Briefpapier als Rücksendung zu bekommen. Beide waren Mangelware in den Bunkerbedingungen. Zur gleichen Zeit wurde die Maschinengewehrkompanie einem Bataillon aus Suomussalmi unterstellt und im Altenheim Kurimo untergebracht, wo das Briefeschreiben wieder möglich war.
„Der Russe scheint zäh zu bleiben. Hier wäre alles soweit gut, aber man hat kaum Zeit zum Schlafen und Rasieren”
– Heikki Kulju in seinem Brief aus Suomussalmi am 19.12.1939
Die verstärkten finnischen Truppen begannen mit Gegenangriffen in Suomussalmi; zuerst im Ortszentrum und dann in Hulkonniemi. Der Widerstand war stark. Heikki konnte am ersten Weihnachtstag wieder nach Hause schreiben. Das zuvor erhaltene weiche Paket von zu Hause wärmte das Herz. Vor Weihnachten war nicht alles optimal verlaufen. Die Handschuhe und der Ehering waren im Gelände abhandengekommen und das Letztere bedauerte Heikki sehr.
Die Geschehnisse gegen Ende Dezember waren einer der Wendepunkte des Winterkriegs. Nach schweren Verlusten zogen sich die sowjetischen Truppen so schnell aus dem Gebiet zurück, dass die Finnen nicht einmal Zeit für eine richtige Verfolgungsjagd hatten. Die größten Siege wurden im Dezember auf der Straße Kuusamontie vom Ortszentrum in Richtung Norden erzielt. In seinem Silvesterbrief erwähnt Heikki diese Siege jedoch mit keinem Wort. Er hatte wichtigere persönliche Anliegen im Kopf, als die Feldpost endlich Briefe und Nachrichten von der Heimatfront brachte. In seinem Brief wies Heikki die Daheimgebliebenen an, kein Geld mehr zu schicken, weil er dafür keinen Nutzen hatte. Stattdessen waren Butter und Zucker Mangelware.
Nachdem die Schlacht von Suomussalmi vorüber war, bezogen sie die Stellungen in Kuomanjoki. Die Artillerie der Roten Armee und die Flugzeuge sorgten dafür, dass man in den Stellungen zeitweise nicht wusste „wo einem der Kopf steht“, so Heikki in seinem Brief. Von diesen Stellungen aus brach die Kompanie am 4. Januar in Richtung Haukila auf. Zur gleichen Zeit fielen zwei Männer, die er aus seinem Heimatdorf kannte, was für Heikki besonders schwer war. Dies war nicht die letzte Erfahrung über den Verlust eines Freundes.
Oberst Hjalmar Siilasvuo leitete die Hauptoffensive der finnischen Truppen im Gebiet Haukila am 5. Januar ein. Der Beginn der Offensive verlief schlecht, aber die Kesselkämpfe und der Frost hatten ihre Aufgaben bereits erfüllt; die ukrainische Division der Roten Armee begann, sich entlang der Raate-Straße in Richtung Osten zurückzuziehen. Sobald der Fluchtversuch des Feindes bekannt war, wurde am folgenden Tag ein neuer Angriff gestartet. Nun gelang es den Angreifern, die Stellungen zu durchbrechen und den Kesselring sowohl von Süden als auch von Norden her zu komprimieren. Mitten in eisiger Kälte wurden die feindlichen Truppen praktisch vollständig ausgelöscht. Laut Augenzeugen war die Raate-Straße an diesem Tag eine eisige Hölle.
Heikki Kulju als Gruppenleiter der Maschinengewehrgruppe bezeugte die Geschehnisse direkt vor Ort. Sein am folgenden Tag verfasster Brief war voller Hoffnungen über das Endergebnis des Kriegs. Ein paar Tage später schrieb er mehr über seine Gefühlslage, als „wir uns ein wenig auf der großen Kriegsbeute haben ausruhen können“ und wie er beim sich Waschen Zeit hatte „all das Ungeziefer, kleiner als Eichhörnchen“, loszuwerden. Der Tod von Bekannten und die üblen Geschehnisse auf der Raate-Straße gaben ihm jedoch zum ersten Mal Anlass, über sein eigenes Überleben im Krieg nachzudenken: „Das ist ja der Wille Gottes und man kann selbst nichts dafür“. In den Briefen wiederholte sich der Traum über ein ruhiges Familienleben zu Hause. Den kargen Alltag versuchte er sich auch mit Humor ein wenig zu versüßen.
Die Sowjetunion griff gleich zu Beginn des Winterkriegs in Kuhmo an. Der Vormarsch der von Brigadekommandeur Gusevski geführten 54. Gebirgsdivision kam jedoch bald zum Erliegen. Die wirksamen Aufklärungsaktivitäten blockierten den Angriff vollständig und die Rote Armee war gezwungen, sich bei Riihivaara auf der Saunajärventie zu verschanzen. Die finnischen Truppen wurden durch das Infanterieregiment 27 verstärkt, das nachts am 20. Januar in Kuhmo eintraf. Heikki beschrieb die Lkw-Fahrt bei Eiseskälte als kälteste seines Lebens.
Vor Ort haben sie in der Nähe eine Strandhütte mit Sauna gefunden, in der die Männer baden konnten. In der Hütte ließen sie es sich gut gehen, denn sie hatten nach der Sauna Krapfen gebacken und Kaffee getrunken. Später in seinem Brief stellte er fest, dass er als Krapfenbäcker nicht so gut war wie seine Frau. In den folgenden Briefen dachte er wieder über die Zukunft nach. Vor dem Krieg hatte er sogar eine Wahrsagerin nach der Zukunft befragt.
Beim Vorrücken der Finnen ging die Reise des Infanterieregiments in Richtung Lehtovaara bei Kuhmo. Von dort, mitten im Gefecht, schrieb Heikki an seinem Geburtstag, dem 2. Februar, nach Hause. Die Stimmung war bedrückt, weil der in Kuhmo wiedergetroffene Bruder Leo verwundet wurde.
„Du wartest also darauf, dass ich Urlaub bekomme. Valva, ich komme hier nicht weg, weil es auch an dieser Front so viele Russen gibt”
– Heikki Kulju, Kuhmo 02.02.1940
Die feindlichen Stellungen konnten erst am 6. Februar gebrochen werden, aber der Preis des Erfolgs war hart. In Heikkis Briefen machten sich die schweren Gefechte immer mehr bemerkbar. Alles in allem war sein Gemüt ziemlich im Keller und ein hartnäckiger Husten plagte ihn auch. Doch nur wenige Tage später war Heikki in seinem Brief ungewöhnlich gutgelaunt, als Valva Fotos von zu Hause geschickt hatte. Die Stimmung des am 26. Februar datierten Briefs war wieder recht düster und der Brief vermittelte seine Erschöpfung in Bezug auf die seit Anfang Dezember anhaltende Kriegsführung. Er meinte, die Kämpfe würden zumindest in den nächsten drei Monaten nicht enden und der Urlaub würde nur im Falle der eigenen Beerdigung Realität werden.
In seinem ersten im März 1940 datierten Brief träumt Heikki von einem Urlaub mit seiner Frau und seinem Sohn. In seinem zweiten Brief im März wünschte er, dass Valva ihren Ehering der staatlichen Goldsammlung nicht geben würde, sondern sie sollte eine Erinnerung an ihn behalten, falls sein Weg in Kuhmo zu Ende sein sollte. Er überlebte jedoch den Winterkrieg.
„Der Frieden wurde geschlossen, aber die Friedensbedingungen waren hart, zumindest meiner Meinung nach. Aber es war so auch gut, weil die versprochene Hilfe nie kam“.
– Heikki Kulju, Kuhmo 19.3.1940
Der Kriegszug von Heikki Kulju und vieler anderer Soldaten war jedoch nicht gleich mit dem Friedensschluss zu Ende, sondern ein Teil der Truppen blieb in Grenznähe. In seinem letzten Brief aus Kuhmo (datiert am 16. März) wird das Skirennen des Bataillons beschrieben, bei dem der Erfolg nach allen Krankheiten im Winter spärlich war. Das Bedrückendste und Bitterste war für ihn, dass ihm nicht einmal Urlaub gewährt wurde. Zum Schluss stellt er in seinem Brief fest, dass „er nun übrigens Unteroffizier sei”. Heikki ging als einer der Letzten in Urlaub am 3. April 1940. Das war sein erster und letzter Urlaub in den Kriegsjahren.
Nach dem Friedensschluss begann der Familienvater sofort nachzudenken, wo er für den folgenden Sommer Arbeit finden würde. Nachdem man die Kämpfe überlebt hatte, wandten sich die Gedanken anderen Alltagssorgen zu, auch wenn die Kriegserinnerungen im Gedächtnis blieben.
Mit dem Endergebnis des Winterkriegs waren sowohl Finnland als auch die Sowjetunion unzufrieden. Trotz des erzwungenen Friedensschlusses kehrte das Land nicht wirklich zum Frieden zurück. Finnland nahm ein massives Festungsprojekt in Angriff und begann, die Salpa-Linie der Ostgrenze entlang zu bauen. Gleichzeitig wurde die Wehrpflicht auf zwei Jahre verlängert, die finaziellen Ressourcen wurden auf die Landesverteidigung ausgerichtet und ausländische Militärhilfe wurde erkundet. Die Einstellung Deutschlands gegenüber Finnland wurde durch das Endergebnis des Kriegs wesentlich geändert. Deutschland war an dem für die Kriegswirtschaft wichtigen Nickel von Petsamo und an der Unterbrechung der für die Versorgung der Roten Armee unerlässlichen Murmanbahn interessiert. Deutschland hatte bereits mit den Vorbereitungen für die Operation Barbarossa, den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion, begonnen und glaubte, dass Finnland an der Seite Deutschlands im Norden angreifen würde.
Die veränderte Weltlage führte Finnland dem neuen Krieg entgegen. Eine schrittweise Mobilisierung begann im Juni 1941. Die Schutzkorps erhielten eine Anweisung für ein zusätzliches Manöver, auch Heikki wurde rekrutiert. Im Fortsetzungskrieg war er stellvertretender Leiter des 2. Zuges der 1. Kompanie, 1. Bataillon, 1. Infanterieregiment 54. Heikki zog nicht mit Begeisterung in den Krieg, zumal im Herbst Nachwuchs erwartet wurde. Als er davor seine Eltern besuchte, wusste er, dass der Besuch sein letzter sein könnte.
In den Fortsetzungskrieg zog man von der örtlichen Volkshochschule aus. Es folgte eine Zugfahrt nach Kemijärvi und nach der Überquerung von Kemijärvi ein Fußmarsch von Joutsijärvi zur Straße in Richtung Kuusamo. Von dort aus ging es weiter in das Gelände der Käylä-Straße, um eine Gruppierung für den Angriff zu bilden. Die Kampfbereitschaft wurde am 26. Juni 1941 erzielt. Zum ersten Mal schrieb Heikki am 21. Juni von Aholanvaara aus, circa 60 km südlich des Ortszentrums Salla. Hinter ihm lag ein Fußmarsch in schwerer Ausrüstung bei Sommerhitze. Die Abfahrt von zu Hause war schnell gewesen, was sich als Sehnsucht im Brief widerspiegelt. Der Höhepunkt in dem am Johannistag verfassten Brief war der Vermerk über eine richtige Tasse Kaffee: „Das war vielleicht was“.
Nach Mittsommer schrieb Heikki den nächsten Brief am 2. Juli, als der Angriff Finnlands über die Ostgrenze bereits begonnen hatte. Heikki machte sich wieder Sorgen über die finanzielle Situation der Familie. Zuvor hatte er eine passende Arbeitsstelle bekommen und nun fehlte ihm der gesamte Verdienst. Die eigene Kompanie war noch in keinen Kampfkontakt geraten, aber er erfuhr die traurige Nachricht, dass der Fähnrich Miettunen, den sie aus dem Militärdienst kannte, gefallen war.
Nach einigen Tagen in Killuntaivaara sah Unteroffizier Kulju den Krieg von Angesicht zu Angesicht. Eine sowjetische Patrouille griff einen die Ostflanke sichernden Zug an und er als stellvertretender Zugführer hatte den Auftrag, die Angreifer mit Hilfe einer Gruppe zu vernichten. Während des Gefechts wurde der die feindliche Patrouille führende Leutnant getötet, woraufhin sich die anderen ergaben. Nach dem Ende des Gefechts konnte Heikki, der drei Tage wach geblieben war, nicht einschlafen, sondern er schrieb nach Hause. Der Brief war düster: der Bruder Martti war verwundet und viele bekannte Männer gefallen. Es war auch klar, dass sich diese Kriegsstrecke lange hinziehen würde. Die schleppende Versorgung machte die Stimmung auch nicht besser.
In den Briefen von Heikki Kulju während des Fortsetzungskriegs war von dem Ärger gegenüber der Sowjetunion nichts mehr zu spüren. Deutsche erwähnt er in seinen Briefen mit keinem Wort und über seine eigenen Handlungen in den Kampfsituationen verrät er nichts.
Mitte Juli schrieb Heikki, dass er zwei Tage in nasser Kleidung bei Regen verbracht hatte. Er kündigte an, alle paar Tage nach Hause zu schreiben, damit seine Frau weiß, dass er sich noch unter den Lebenden befindet. Zu seinem Sohn sollte sie sagen, der Vater komme bald nach Hause. In dem nächsten Brief, datiert am 18. Tag, gab es viele zensierte Stellen. Offensichtlich hatte er über die Verluste der Kompanie und gefallene Bekannte geschrieben. In demselben Brief schreibt Heikki Vermerke über die kommende Blaubeer-, Preiselbeer- und Moltebeerernte – und meinte, es kommen bessere Zeiten auf sie zu, „falls dies überstanden wird“.
Für Heikki war es wichtig, die Verpflichtungen zu erfüllen. Noch in seinem Brief vom 25. Juli wies er seine Familie an, wie die Finanzen zu verwalten waren, falls er nicht aus dem Krieg zurückkehren würde. Ein paar Tage später plante er eine sinnvolle Nutzung seiner Tagegelder. Er würde einen neuen Ehering für den im Winterkrieg in Suomussalmi abhanden gekommenen Ring kaufen. Dazu kam Heikki jedoch nicht mehr.
Die letzten Julitage in Polkuvaara bei Salla waren schön. Für die Soldaten war es klar, dass sie nicht mehr nach Hause zur Erntearbeit kämen. Am Dienstagabend, dem 29. Juli, wurden Aktivitäten an der Front gemeldet, woraufhin sich die erste Kompanie für den Kampf vorbereitete. Vier Stunden später war lautes Geschützfeuer zu hören, und bald darauf eine Angriffsvorbereitung durch Einsatz von heftigem Artilleriefeuer im gesamten Gebiet der Kompanie. Der Angriff auf den finnischen Stützpunkt wurde jedoch abgewehrt. Die feindlichen Angriffe dauerten die ganze Nacht hindurch an und unterbrachen den gesamten Telefonverkehr.
In den frühen Morgenstunden begann die Rote Armee einen neuen Angriff. Es fanden heftige Kämpfe statt, aber die finnischen Truppen hielten stand. Die Kämpfe, die 24 Stunden ohne Unterbrechung andauerten, begannen in der Nacht auf Donnerstag abzuschwächen. Es war der letzte Tag im Juli. Nachts um drei Uhr bekamen die Finnen an der Frontlinie Essensportionen und Verstärkung zur Ersetzung der Gefallenen. Von beiden Seiten wurde die ganze Nacht hindurch gelegentliches Artilleriefeuer abgefeuert, denn dem Feind wollte man keine Ruhepause gönnen. Um fünf Uhr eröffnete die Rote Armee ein schweres Artilleriefeuer, gefolgt von einem Angriff gegen den Kompanieblock. Auch dieser Angriff wurde abgewehrt.
Der Kampf tobte in Polkuvaara den ganzen Tag und erst abends nach 23 Uhr wurde es langsam still. Nachdem die Kämpfe zum Stillstand kamen, hörte man nur das Jammern der Verwundeten und auf dem Schlachtfeld zurückgebliebenen Angreifer. Die Verluste der Sowjettruppen waren enorm gewesen. Auch die Finnen waren mit ihrer Kraft fast zu Ende. Die Stellungen musste man jedoch halten.
Ein gefallener finnischer Kämpfer war vor den Linien geblieben. An diesem Tag war das Glück des Unteroffiziers Heikki Kulju zu Ende.
Die Geschichte beruht auf der Forschungsarbeit und den Archiven von Mika Kulju, dem Enkel von Heikki Kulju. Briefzitate aus dem finnischsprachigen Buch von Mika Kulju „Kirjeitä Raatteen tieltä – Suomalaisen kersantin sotapolku Suomussalmelta Sallaan” („Briefe von der Raate-Straße – der Kriegsweg eines finnischen Unteroffiziers von Suomussalmi nach Salla“) (Gummerus, 2018).
Die Website „Geschichten aus den Kriegsjahren“ ist ein Teil des Projektes „Ordinary Man in a Great War“, finanziert von der Europäischen Union.
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